Fast schon liebevoll nennen sie die Australier „Tassie“. Ein Kosenamen für diese Insel, die zwar zu Australien gehört, aber nach der Abtrennung vom großen Down Under-Kontinent gegen Ende der letzten Eiszeit in vielerlei Hinsicht ein Eigenleben entwickelt hat.
Ganz lange bewegte sich Tasmanien unter dem Radar der großen Touristenströme. Australien? Ziemlich weit weg! Tasmanien? Unvorstellbar weit weg! Und einsam, rau und kalt! Ach ja, es gibt wohl viel Landschaft und dann auch noch viel Lachs. Und ein seltenes und seltsames Tier namens tasmanischer Teufel, das seine Beute komplett mit Haut, Haar und Knochen verspeist.
Es ist wie immer. Nur durch das Reisen und Sammeln eigener Eindrücke kann man Vorurteile ausräumen und oft entwickelt sich eine Begeisterung für ein bis dahin völlig fremdes Land. So ging es uns mit Tasmanien. Ein paar Impressionen in loser Reihenfolge.
Hobart. Kommt man aus Melbourne oder Sydney hier an, wird einem der Unterschied zu Australien schlagartig bewusst. Pulsierten in den Metropolen gerade noch dichter Verkehr und Massen an Touristen, so umgibt einen in Hobart plötzlich wohltuende Beschaulichkeit. Die mit etwas mehr als 200.000 Einwohnern größte Stadt der Insel versprüht einen Hauch von kolonialem Gründerspirit. Alles ist kleiner, gemütlicher, man könnte fast sagen dörflich und vergleichsweise putzig. Hobart ist die zweitälteste Stadt Australiens. Wie im Falle Sydney`s, der ältesten Stadt des roten Kontinents, begann auch in Hobart die Besiedlung mit der Gründung von Strafkolonien für Häftlinge aus dem Mutterland England um 1800. Und auch hier mussten die indigenen Tasmanier weichen durch Vertreibung oder Ausrottung mit Gewalt oder durch eingeschleppte Krankheiten. Oder sie wurden versklavt. Die Gebäude rund um den Hafen sind noch heute Zeugen dieser Vergangenheit - das ehemalige Zollgebäude, das Gericht und nicht zu vergessen - das älteste Gasthaus Tasmaniens, in das die Spirituosen-Fässer direkt vom Schiff hinein gerollt werden konnten.
In den letzten Jahren hat sich rund um den Hafen ein hippes und stylischen In-Viertel entwickelt, das nicht nur in Zeiten der mondänen Sydney-Hobart-Segelregatta die Reichen, Schönen und Geniesser anzieht.
Kulinarik. Kulinarischer Genuss wird ganz groß geschrieben in Hobart. Alleine rund um den Hafen kann man von einem Fine Dining Restaurant zum nächsten wechseln. Exklusive Küche findet man zum Beispiel im Landscape Restaurant & Grill und im Peacock & Jones. Das Franklin nur wenige Minuten entfernt hat es unter die 50 Best Restaurants of the World geschafft. Und die herausragende Qualität des Frank Restaurants und des Tempo in unmittelbarer Nachbarschaft sind schon lange keine „best kept secrets“ mehr.
Aber auch wenn man über Land fährt, wird man an vielen Plätzen verwöhnt. Und wenn es nur an einem der vielen Ladenlokale ist, wo köstlicher Käse aus eigener Produktion oder vollmundige Beeren aus eigenem Anbau angeboten werden.
Mount Wellington. Dieser 1271 Meter hohe Hausberg vor den Toren Hobarts ist bei schönem Wetter eine klare Empfehlung. Eine Vielzahl von Wanderwegen bieten bereits unterwegs eine spektakuläre Aussicht auf Hobart und Umgebung. Für alle weniger sportlich Ambitionierten führt auch eine Strasse zum Gipfel. Spätestens ganz oben wird einem klar, wie wunderschön diese Stadt dort unten eingebettet liegt zwischen bergigem Hinterland, Flussmündung des Derwent Rivers und dem Meer.
Landschaft und Natur. Viele exotische Tiere wie in Australien (Kangurus, Wallabies, Wombats, giftige Schlangen), grüne, saftige Bergkuppen wie in Neuseeland oder Irland, schroffer Wechsel zu steilabfallenden Klippen wie in Schottland - aber gerade diese Mixtur aus allem auf einer Insel ist es, was einen großen Teil der Faszination Tasmaniens ausmacht. Man hat zum Glück die Zeichen der Zeit erkannt und viele Landschaftsgebiete zu Nationalparks erklärt. Ein Viertel Tasmaniens ist UNESCO Weltkulturerbe. Sehenswert sind zum Beispiel der Cradle Mountain-Lake St. Clair-Nationalpark, der Freycinet-Nationalpark mit der malerischen Wineglass Bay und der Franklin-Gordon Wild Rivers-Nationalpark mit seiner fast menschenleeren Wildnis.
Bruny Island. In Sichtweite vor der tasmanischen Ostküste liegt Bruny Island, ein ganz spezielles Beispiel für die Schönheit Tasmaniens und der umgebenden kleineren Inseln. Obwohl man an Feiertagen und Wochenenden teilweise erhebliche Wartezeiten in Kauf nehmen muss, um einen der begehrten Plätze auf der Fähre ab Kettering zu ergattern, lohnt sich der Aufwand allemal. In rekordverdächtiger Anzahl kommt einem ein „Wow“ über die Lippen, wenn man diese nur etwa 50 mal 20 km große Insel entdeckt. Die Nord- und die Südinsel von Bruny werden durch einen extrem schmalen Landstreifen verbunden, der zu Recht den Namen „The Neck“ trägt und wo man auf einem kleinen Holz-Aussichtspunkt einen 360 Grad Rundblick auf die Insel und die schier endlosen Strand geniessen kann. Die schönste aller Buchten ist allerdings Adventure Bay, die einfach nur zum Innehalten und Wahrnehmen einlädt. Vor vielen Hundert Jahren taten das genau in dieser Bucht auch schon James Cook und später Kapitän Bligh mit seiner Bounty kurz vor der Meuterei.
Unterkünfte. Natürlich gibt es verteilt über Tasmanien Unterkünfte aller Art und jeder Kategorie. Für Liebhaber des Exklusiven und Besonderen drängen sich im Freycinet Nationalpark die Saffire Luxury Lodges auf. Im Cradle Mountain Lake St. Clair Nationalpark besticht die Peppers Cradle Mountain Lodge durch seine Lage am Rand der Nationalpark Wilderness mit Zugang zu den besten Wanderwegen. Das MACq 01 ist durch die Lage direkt vorne am Pier natürlich ein absolutes Highlight in Hobart. Wer aus der City eher hinaus in die ländliche Umgebung möchte, ist in der am Wasser gelegenen Villa Howden mit ihrem fast toskanischen Flair bestens aufgehoben.
Tipp. Das Museum of Old and Modern Art (MONA) in Hobart ist in jedem Fall einen Besuch wert. Das Museum zeigt antike, moderne und zeitgenössische Kunst. Allein die Lage im Weingut Moorilla und auf den angrenzenden Klippen ist atemberaubend. Ein Großteil des 3-stöckigen Gebäudes wurde unterirdisch angelegt. Ein exzellentes Restaurant rundet den Ausflug ab. Und mit etwas Glück findet in dem grossen begrünten Aussenbereich mit seiner Freiluftbühne ein Festival oder eine andere Darbietung statt, bei denen sich Einheimische wie Fremde gechillt auf dem Rasen liegend entspannen.
Resümee. Tasmanien ist unglaublich. Unglaublich vielfältig und spannend. Unglaublich wohltuend und entspannend. Unglaublich überraschend und alle Sinne berührend. Unglaublich sympathisch. Es hatte schon immer den Flair des Besonderen. Wir meinen zu recht! Auch wenn wir (vielleicht zum Glück) bei unserem Besuch nicht auf den tasmanischen Teufel gestoßen sind.
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