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Joachim Materna & Ellen Kuhn

ROBBEN ISLAND - mehr als Nelson Mandela

Aktualisiert: 14. Okt. 2022


Robben Island

"Willkommen auf Robben Island! Ich bin Gefangener 76/85. Das hier war meine Zelle.“

Nachdem schon bei der ca. 30-minütigen Überfahrt und spätestens bei der Landung auf diesem berühmten Eiland in Sichtweite der Metropole Kapstadt ein leichtes Drücken in der Bauchgegend aufgekommen war, war diese Bemerkung geeignet, dass einem ein historischer Schauer über den Rücken lief.

„Ich bin 1985 als 76. Gefangener auf Robben Island angekommen, so wurden die Nummern vergeben. Mein Name ist eigentlich Abiola*, aber den durfte ich in den nächsten Jahren hier auf der Insel nicht mehr benutzen“.

Abiola ist heute Fremdenführer auf Robben Island wie so einige der früheren Häftlinge. Und er hat kein Problem damit, wie er sagt. Es hat ihm sogar geholfen, die Vergangenheit besser zu verarbeiten. Und manche Ex-Häftlinge und Kollegen von ihm wohnen sogar auf der Insel.

Während des Rundganges erzählt er viel über die Geschichte, auch die vor der Apartheids Ära.

Die Insel wurde schon im 17. Jahrhundert als Sträflingskolonie benutzt. Außerdem wurde in den Steinbrüchen ein gutes Schiefer-Baumaterial für das Castle of Good Hope und andere Bauwerke gewonnen. Diesen Stützpunkt bei Kapstadt errichteten die Niederländer im Auftrag der Ostindischen Handelskompanie.

Bis in das 20. Jahrhundert hinein befand sich auf der Insel ein Lager für Leprakranke, die hier in isolierten Dörfern lebten.

Ab 1939 diente Robben Island als Militärbasis, 1961 wurde sie wieder zur Gefangeneninsel.

Mit dem Erstarken der Anti-Apartheid-Bewegung wurde Robben Island zum berüchtigtsten Gefängnis Südafrikas für politische Häftlinge. Bei harter Arbeit im Steinbruch waren sie oft nur unzureichend gekleidet und mussten anfangs auf dünnen Strohmatten auf dem kalten Steinfußboden schlafen.

Robben Island war gut als Gefängnisinsel geeignet, da Fluchtversuche wegen der Entfernung von 7 bis 12 km zum Land und der kalten, gefährlichen Strömung praktisch aussichtslos waren.

Mehr als 3000 Gefangene waren es über all die Jahre, so erzählt Abiola, die überwiegend über viele Jahre hier inhaftiert waren. Natürlich ist Häftling 466/64 - Nelson Mandela - der berühmteste.

Während Abiola als „gewöhnlicher Gefangener“ in einer Zelle mit bis zu zwei Duzend anderen untergebracht war, waren die vom Apartheidsregime am meisten gefürchteten Gefangenen im Hochsicherheitstrakt untergebracht. Zellen mit zwei mal zwei Quadratmetern, zugigen Gitterfenstern, ohne Wasser, ohne WC und auch ohne Bett oder Liege. Auch bei kältesten Temperaturen blieb nur die Decke auf dem Steinboden zum Schlafen.

Natürlich bilden sich beim Rundgang vor der Zelle, in der Nelson Mandela 18 Jahre seiner 27 Gefängnis-Jahre verbracht hat, lange Schlangen. Aber sie ist nicht anders als alle anderen in diesem Trakt.

Und Abiola scheint diesen Personenkult auch eher etwas dämpfen zu wollen, indem er relativ schnell weiter geht und auf all die anderen verweist, die für ihre Überzeugung ebenso gekämpft haben, dafür in diesen Zellen einen Großteil ihres Lebens verbracht haben und teilweise dafür gestorben sind.

Zu den Gefangenen gehörten - so weiß Abiola zu berichten - sieben der acht Verurteilten des Rivonia-Prozesses, darunter ausser Nelson Mandela auch Walter Sisulu und Ahmed Kathrada (der im April 2017 im Alter von 87 Jahren starb), sowie der Vorsitzende des Pan Africanist Congress, Robert Sobukwe, der sechs Jahre im heutigen Robert Sobukwe House in Einzelhaft gehalten wurde.

Im Jahr 1971 schafften es die Gefangenen nach Streiks und Protesten, humanere Bedingungen durchzusetzen, und durften nun sogar in der Haft studieren. Den Hauptanteil daran hatte Nelson Mandela, der ANC-Rebellenführer und spätere Friedens-Politiker.

Südafrika internierte hier in der Zeit der Apartheid vor allem politische Gefangene, aber auch Kriminelle. 1991 wurde das Hochsicherheitsgefängnis für politische Gefangene aufgelöst, 1996 auch der Trakt für gewöhnliche Kriminelle.

Im Jahre 1994 nahm Mandela als erster schwarzer Präsident Südafrikas elf seiner ehemaligen Mithäftlinge von Robben Island in seine Regierung auf. Aber auch viele andere nahmen nach der Freilassung den Kampf wieder auf gegen Rassismus und Apartheid.

Und noch eines ist Abiola während der Rundfahrt ganz wichtig: diese Insel ist auch eine Naturschönheit, wie er fast schwärmerisch betont. Imposante Felsformationen, eine ganz besondere Fauna und Flora, Dutzende von Vogelarten, Pinguine, Robben (nomen est omen…), Antilopen, Schildkröten und Perlhühnern. Mit ein wenig Glück kann man Wale oder Delfine sehen.

Beim Ablegen bestätigt ein Blick zurück genau das - ein grünes, malerisches Stück Land im Ozean, das mit seinem Leuchtturm und Häuschen sogar ein wenig an eine Nordseeinsel erinnert. Nur die Wachttürme sorgen dafür, dass die Betroffenheit nicht so schnell verschwindet.

Zu diesem Thema der Buch-Tipp von WELTREISE-TRAUM: "Der lange Weg zur Freiheit: Autobiographie" von Nelson Mandela.

*Name und Nummer wurden geändert.

© Bilder und Text TRAVEL-EDITION, travelART by ELLEN, Adobe Stock


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